DGB Online-Befragung zur betrieblichen Umsetzung des Mutterschutzgesetzes
Hält das neue Mutterschutzgesetz, was es verspricht? Seit der Reform von 2018 hat das Gesetz eine doppelte Zielsetzung: umfassender und bestmöglicher Gesundheitsschutz der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Geburt und in der Stillzeit und zugleich bestmögliche Bedingungen für die Fortsetzung der Beschäftigung ohne Benachteiligungen.
Ob und wie das gelingt, hängt maßgeblich davon ab, wie das Mutterschutzgesetz in Betrieben und Verwaltungen umgesetzt wird. Welche Bedingungen finden Schwangere und Stillende an ihren Arbeitsplätzen vor? Sind Arbeitgeber*innen bereit, die Arbeit anders zu organisieren, Arbeitszeiten anzupassen und flexibel auf die besonderen Umstände ihrer Mitarbeiter*innen einzugehen? Um das herauszufinden, startete der DGB 2021 eine Online-Befragung, die sich an Betroffene richtete.
Die Ergebnisse der Mutterschutzbefragung liegen vor
Im Herbst 2021 hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine große Online-Befragung zur Umsetzung des Mutterschutzes am Arbeitsplatz durchgeführt.
Für die Studie wurden 1.193 Frauen online befragt; die Ergebnisse spiegeln eher die „bessere“ Seite der Arbeitswelt wider. Die tatsächliche Realität der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsschutzes für alle abhängig beschäftigten Schwangeren und Mütter in Deutschland dürfte eher etwas ungünstiger ausfallen als in der Studie dargestellt.
Bei der betrieblichen Umsetzung des Mutterschutzgesetzes tun sich erhebliche Defizite auf.
Die Probleme, die sich vielen erwerbstätigen Frauen ab der Schwangerschaft im Betrieb oder in der Dienststelle in den Weg stellen, lassen sich nicht wegdiskutieren.
Bei mehr als jeder dritten Schwangeren wird die Verpflichtung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung zum Schutz der Gesundheit der Frau und des Kindes am Arbeitsplatz ignoriert (35 Prozent). Weitere elf Prozent der Befragten wissen nicht, ob die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde. Nur bei einer knappen Mehrheit der Befragten wurden seitens des Arbeitgebers Schutzmaßnahmen ergriffen (54 Prozent). Anders ausgedrückt: Eins der zentralen Instrumente des Arbeitsschutzes funktioniert auch in der praktischen Umsetzung des Mutterschutzes nicht.
Bedenklich sind die Belastungen aufgrund langer Arbeitszeiten:
Mehr als die Hälfte der befragten Frauen leistet während der Schwangerschaft wiederholt Mehrarbeit (56 Prozent) oder überschreitet die Tageshöchstarbeitszeit (55 Prozent). Von jeder achten Befragten wurde die Mehrarbeit unfreiwillig erbracht und durch den Arbeitgeber „erwartet“ (zwölf Prozent). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass wiederholt auftretende lange Arbeitszeiten unter schwangeren Frauen eher die Norm als die Ausnahme darstellen.
Eine Schwangerschaft führt häufig zu einem Bruch in der Erwerbsbiographie und scheint immer noch eins der wesentlichsten Karrierehemmnisse für Frauen zu sein. Anders lassen sich entsprechende Aussagen von mehr als ein Viertel der Befragten nicht interpretieren, die von langfristigen beruflichen Nachteilen aufgrund der Schwangerschaft berichten (28 Prozent). Unter ihnen beklagen zwei Drittel, dass die Schwangerschaft ihre berufliche Weiterentwicklung verzögert oder blockiert hat, bei fast der Hälfte von ihnen haben sich anstehende Karriereschritte verzögert oder wurden vollständig blockiert.
Politische Schlussfolgerungen und Forderungen:
- Arbeitgeber*innen als Normadressat*innen des Mutterschutzgesetzes müssen stärker in die Pflicht genommen und kontrolliert werden. Aufsichtsbehörden müssen durch eine angemessene Personalausstattung schnell in die Lage versetzt werden, die diskriminierungsfreie Umsetzung des Mutterschutzgesetzes in Betrieben und Dienststellen wirksam zu kontrollieren.
- Die im Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichten arbeitszeitlichen Gestaltungsmöglichkeiten dürfen die gesetzlichen Vorgaben nicht aushebeln. Das gelingt nur mit zuverlässig funktionierender Aufsicht und Kontrolle sowie mit verlässlichen, kollektiven Regelwerken auf betrieblicher Ebene, die die schwangeren/stillenden Frauen vor betrieblichem Druck und erzwungener „Freiwilligkeit“ schützen.
- Die Befragung hat nicht nur im Hinblick auf das verpflichtende Gesprächsangebot, sondern auch in Bezug auf Sachkunde, Unterrichtung, weitergehende Informationen und Kommunikationsbereitschaft erhebliche Mängel offengelegt. Aufklärung und vor allem Sensibilisierung für das Thema bei den Normadressat*innen und den betrieblichen Akteur*innen bleiben daher auch vier Jahre nach Inkrafttreten des Mutterschutzgesetzes wichtig.
Hier geht es zum Ergebnisbericht aus der Online-Befragung zur betrieblichen Umsetzung des Mutterschutzgesetzes:
Website der CEDAW-Allianz Deutschland online gegangen
CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women) ist das wichtigste völkerrechtliche Menschenrechtsinstrument für Frauen. Die Vertragsstaaten werden zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen, einschließlich der Privatsphäre, verpflichtet. Ziel des internationalen Übereinkommens ist die Durchsetzung von Frauenrechten in allen Lebensbereichen und die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung.
Die Frauenrechtskonvention ist Bestandteil des deutschen Rechts: Sie begründet Pflichten für alle Staatsorgane und subjektive Rechte für alle Frauen. Sie hat Vorrang vor allem Landesrecht, und sie ist verbindlicher Maßstab für die Auslegung von Gesetzen und Verfassungen in Bund und Ländern. Insbesondere ist CEDAW bei der Auslegung der im Grundgesetz verbrieften Grundrechte heranzuziehen.
Diskriminierung ist Ungleichbehandlung in gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Deshalb sollen mit Hilfe der CEDAW-Konvention auch die Strukturen, die die Diskriminierung von Frauen aufrechterhalten, beseitigt werden. Frauen sind vielfältig, und manche besonders von Diskriminierung betroffen. Alle Staatsgewalt hat Frauen in ihrer Vielfalt wahrzunehmen und einander überschneidende und verschärfende Diskriminierungen zu adressieren.
In der CEDAW-Allianz Deutschland engagieren sich 32
zivilgesellschaftliche Organisationen für die Umsetzung der
UN-Frauenrechtskonvention CEDAW in Deutschland. Die 2018 gegründete
CEDAW-Allianz beobachtet die deutsche Legislative, Judikative und Exekutive in
Bund, Ländern und Kommunen kritisch bei der Umsetzung und Anwendung von CEDAW. Die
Allianz tritt aktiv in den Dialog mit der Bundesregierung mit dem gemeinsamen
Ziel, jegliche Diskriminierung auf Grundlage des Geschlechts tatsächlich zu
beenden. Weiterhin vertritt sie die Interessen der Zivilgesellschaft
Deutschlands vor dem CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen und nimmt an
verschiedenen Stellen Einfluss auf das mehrstufige Staatenberichtsverfahren.
Herzstück der Arbeit ist die Erstellung des Alternativberichts, in dem sie
Bezug zum Staatenbericht der Bundesregierung nimmt und ihre Einschätzung zum
Stand der Umsetzung der Konvention formuliert. Die Darstellung aus Sicht der
Zivilgesellschaft dient dem CEDAW-Ausschuss zur Beurteilung des
Regierungshandels
Anfang Mai hat das Plenum der CEDAW-Allianz, der auch der DGB mit seinen Mitgliedsgewerkschaften angehört, den Alternativbericht zum 9. Staatenbericht der Bundesregierung abschließend beraten und beschlossen. Dieser wird im Herbst an die Bundesregierung übergeben und im Anschluss veröffentlicht.
Weitere Informationen über die Arbeit, den Auftrag und die Veröffentlichungen der CEDAW-Allianz Deutschland findet ihr auf der neuen Webseite unter www.cedaw-allianz.de.