Internationaler Frauentag

Das Potenzial ist da: Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!

Am 8. März 2023 ist Internationaler Frauentag

Mecklenburg-Vorpommern hat den Internationalen Frauentag im vergangenen Jahr zum Feiertag erklärt, in Berlin ist er es seit 2019. Man wollte damit ein Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter setzen, hieß es in der Antragsbegründung. Dieser Schritt sei eine unzeitgemäße Belastung der Wirtschaft, hieß es von anderer Seite. Der Streit darüber, welche symbolische Bedeutung die Gleichstellung von Frauen hat, ist symptomatisch dafür, wie sie in der gesellschaftlichen Realität stattfindet und wie Frauen sie erleben. Spätestens einmal jährlich, nämlich zum 8. März, wird öffentlichkeitswirksam geprüft, wie es um Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frauen steht — mit der Erkenntnis: Es gibt noch einiges zu tun. Egal, ob es um eine gerechte Beteiligung von Frauen in Führungsgremien geht, um gleiche Bezahlung oder um die Gleichstellung in der Kinderbetreuung oder Pflege: Für die Frauen ist noch reichlich Luft nach oben.

Gewerkschaftlich gibt es viele Möglichkeiten, weibliche Beteiligung und Gleichstellung zu gestalten. Wir sind dabei ein gutes Stück vorangekommen. Die gesellschaftliche, aber auch die Arbeitsrealität zeigen, dass es dazu noch weitere rechtliche Rahmenbedingungen braucht.“

Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IGBCE

Das gilt im Besonderen auch für das Thema Fachkräftemangel, eines der drängendsten Themen unserer Zeit und eine der größten Herausforderungen für die Zukunft. Ohne seine Lösung sind Digitalisierung, Transformation und Arbeiten 4.0 nicht denkbar. Erst jüngst, Ende Januar, hat eine Studie zur Stillen Reserve am Arbeitsmarkt* bestätigt: Es gibt eine große Anzahl an Frauen, die gern arbeiten würden, aber nicht können, weil sie entweder ihre Kinder oder pflegebedürftige Verwandte versorgen. Frauen, über die Hälfte der Ermittelten, die eine mittlere berufliche Qualifikation haben, aber auch hochqualifizierte Frauen. Frauen vor allem zwischen 25 und 59 Jahren. Frauen, die dem Arbeitsmarkt fehlen.

*Als „Stille Reserve“ werden Menschen ohne Arbeit bezeichnet, die zwar kurzfristig nicht für den Arbeitsmarkt verfügbar sind oder momentan nicht aktiv nach Arbeit suchen, sich aber trotzdem Arbeit wünschen.

Prozentuale Verteilung der stillen Reserve (Stand: Januar 2021)

Quelle: Destatis, 2021

Die IGBCE, wie auch ihre Partnergewerkschaften und der DGB, setzt sich dafür ein, Brücken zu bauen. Um Frauen den Weg in den Arbeitsmarkt oder auch zurück in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und zu erleichtern.

Unter dem Schlagwort „Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!“ hat der Bundesfrauenausschuss des DGB ein Positionspapier verfasst. Es beinhaltet dreizehn Forderungen für eine Fachkräftesicherung mit Geschlechterperspektive: Von „Arbeitszeiten, die zum Leben passen“ über „frauendominierte Berufsfelder aufwerten“ und „Fehlanreize im Steuerrecht beseitigen“ bis hin zu “geschlechtersensible Weiterbildung in der Transformation“. Umfassend formuliert das Papier Bedingungen, die es zu verändern oder zu verbessern gilt, um Frauen dieselbe Beteiligung am Arbeitsmarkt zu ermöglichen wie Männern.

Die IGBCE macht sich vor allem für die folgenden vier Forderungen stark:

ARBEITSZEITEN, DIE ZUM LEBEN PASSEN

Nicht die Ausweitung und Entgrenzung von Arbeitszeiten, sondern ein größeres Maß an Mitsprache der Beschäftigten bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeiten ist notwendig, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erhöhen.

PARTNERSCHAFTLICHKEIT STÄRKEN, SORGEARBEIT FAIR TEILEN!

Es wird eine gesellschaftliche Umverteilung von unbezahlter Sorge- und Hausarbeit benötigt, um eine stärkere Arbeitsmarktpartizipation von Frauen zu erreichen.

Nach wie vor leisten Frauen den größten Teil der Kinderbetreuung, der Pflege von Angehörigen und der Hausarbeit, wodurch ihre Erwerbstätigkeit und ihre Verdienstmöglichkeiten im Lebenslauf entscheidend gehemmt werden.

ERWERBSTÄTIGE MIT SORGEVERANTWORTUNG UNTERSTÜTZEN

Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist der bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Ausbau der Ganztagsbetreuung für Kinder bis zum 14. Lebensjahr essenziell.

TARIFBINDUNG UND BETIREBLICHE MITBESTIMMUNG STÄRKEN!

In tarifgebundenen Unternehmen sind die Gehälter für Frauen und Männer höher und Zusatzleistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld gehören zum Standard. Vor dem Hintergrund der sinkenden Tarifbindung ist im Zuge der Fachkräftegewinnung deshalb eine Trendumkehr bei der Tarifbindung notwendig, mit dem Ziel einer flächendeckenden Anwendung von Tarifverträgen und höheren Entgelten für Frauen.

Durch eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes sollen verpflichtend Gleichstellungsausschüsse gebildet werden, die sich mit Maßnahmen zu Gleichstellung im Betrieb auseinandersetzen.

Dazu Karin Erhard: „Gewerkschaften und Betriebsräte haben viele Möglichkeiten, weibliche Beteiligung und Gleichstellung im Betrieb zu gestalten. Wir waren dabei in den letzten Jahren durchaus erfolgreich. Ein Blick auf die Lage in der Gesellschaft und der Arbeitswelt insgesamt zeigt aber, dass es dringend noch weitere rechtliche Rahmenbedingungen braucht. Es bedarf einer umfassenden Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, mit der auch die Gleichstellung der Geschlechter vorangetrieben wird: Neben dem Betriebsrat sollten Frauen auch im Betriebs- und Entgeltausschuss mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Beschäftigten vertreten und die Bildung von Gleichstellungsausschüssen weitgehend verpflichtend sein.“