Ratifizierung ILO 190

Menschenwürdige Arbeit ist ein Menschenrecht

Menschen-
würdige Arbeit
ist ein
Menschenrecht

Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zum Schutz vor Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz

Es ist eine Frage der Macht: Wer einer*m anderen gegenüber gewalttätig wird oder sie oder ihn belästigt, möchte Macht ausüben. Das gilt in jedem Lebensbereich, im Privaten wie im Berufsleben. Und gerade in einem Abhängigkeitsverhältnis ist Machtausübung besonders heikel — und verurteilenswert. Mehr noch: Wenn sie in Gewalt oder Belästigung mündet, ist sie strafbar. Grundlagen für die Ahndung solcher Taten und für den Schutz von Arbeitnehmer*innen hat das Bundeskabinett jetzt geschaffen: mit der Ratifizierung des Gesetzentwurfs zum sogenannten ILO-Übereinkommen Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation* über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Laut Bundeskabinett ist es das erste Gesetz dieser Art, das einen dermaßen weitreichenden Schutz bietet.

Das Übereinkommen definiert das Recht jeder Person auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung als Menschenrecht und macht deutlich, dass Gewalt und Belästigung mit menschenwürdiger Arbeit unvereinbar sind. Unverhältnismäßig stark sind Frauen und Mädchen von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. Die ILO fordert in dem Übereinkommen ihre Mitgliedstaaten und die Sozialpartner*innen auf angemessene Maßnahmen zur Prävention von Gewalt und Belästigung zu ergreifen, da diese auch Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Frauen und Mädchen in der Arbeitswelt haben. Deutschland sowie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind gleichermaßen gefordert, wenn es darum geht eine Arbeitskultur zu schaffen, die auf gegenseitiger Achtung und auf der Würde des Menschen beruht und die Nulltoleranz gegenüber Gewalt und Belästigung gewährt.

Deshalb fordert der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Bundesregierung auf, Gewalt und sexuelle Belästigung stärker als Themen in den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu integrieren, indem das Arbeitsschutzgesetz ergänzt und Arbeitgeber*innen verpflichtet werden, für ein gewalt- und belästigungsfreies Arbeitsumfeld zu sorgen. Weiterhin müssen die Rechte der Beschäftigten gestärkt werden, beispielsweise im Betriebsverfassungsgesetz , indem Betriebsrat und Arbeitgeber*innen in ihrer Rolle als Sozialpartner*innen verpflichtet werden, für ein gewalt- und belästigungsfreies Arbeitsumfeld zu sorgen. Das in Deutschland existierende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich „Antidiskriminierungsgesetz“, müsste zudem um eine Definition von Gewalt und sexueller Belästigung ergänzt sowie Verbots- und Sanktionsnormen verankert werden, insbesondere gegen Arbeitgeber*innen, die keine betriebliche Beschwerdestelle installieren.

Für Jennifer Mansey, Abteilungsleiterin Frauen/Diversity der IGBCE, ist die Ratifizierung der ILO-Konvention 190 ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: „Wir hören von vielen Seiten, dass sexuelle Belästigung im Betrieb gerade von Frauen und Menschen, die eine andere sexuelle Orientierung oder Identität haben, zunehmen. Das ist schlimm für die Betroffenen, oft weil sie keine vertrauenswürdige Anlaufstelle finden. Das ist aber gesellschaftlich auch problematisch, weil so Gleichstellung, Chancengleichheit und das Vorankommen von Frauen und LSBTIQ* Menschen gefährdet ist. Deshalb ist das Thema für uns als IGBCE wichtig und deshalb werden wir es auch verstärkt mit unseren Betriebsrät*innen und Vertrauensleuten thematisieren und sie für sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz sensibilisieren“.

*Die Internationale Arbeitsorganisation ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und damit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern.

Jennifer Mansey

Foto: Björn Bernat