Xylem Mainz passte wegen pandemiebedingter Betreuungsengpässe Gleitzeit an
Neulich sind bei uns mehr als 100 Jahre Berufserfahrung in den Ruhestand gegangen“, erzählt Dr. Peter Berenz, Chemiker in der Abteilung Entwicklung bei Xylem in Mainz. Er selbst sei zwar erst seit knapp zehn Jahren im Unternehmen, fühle sich aber so wohl, dass er sich gut vorstellen könne, noch sehr lange zu bleiben. „Entweder, gehen die Leute innerhalb der ersten zwei Jahre oder bleiben hier bis zur Rente“, ist seine Erfahrung. Doch was hat langjährige Betriebszugehörigkeit mit Familienfreundlichkeit zu tun? „Familienfreundlichkeit kann man nicht mit Zeitverträgen erreichen. Die Vorgesetzten kennen die familiären Verhältnisse in ihren Abteilungen und setzen sich für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber HR und Konzern ein.“ Xylem Analytics Germany wolle seiner Belegschaft (und damit sich selber auch) durch einen sicheren Arbeitsplatz eine sichere Zukunftsperspektive bieten, also gebe es vorzugsweise unbefristete Verträge. Von den 120 Beschäftigten am Standort Mainz sind etwa zwei Drittel in der Produktion tätig, viele von ihnen kommen als Personal von Zeitarbeitsfirmen ins Unternehmen. „Wir versuchen, die an uns Interessierten in eine Festanstellung bei Xylem zu übernehmen. Mit solch einer Planungssicherheit kann man gut eine Familie gründen“, berichtet Peter Berenz, der auch Betriebsratsvorsitzender am Standort ist.
Die Pandemie konnte das Unternehmen gut bewältigen, die Produktion der pH- und Redox-Sensoren lief weiter. Was sich veränderte, waren außer zusätzlicher Hygienemaßnahmen die Rahmenarbeitszeiten: Zuvor war eine Gleitzeit zwischen 6 und 20 Uhr möglich. Im April 2020 stellten die Mainzer die Stechuhr um: Seitdem sind Zeiten bis 21 Uhr möglich, wer konnte, ging ins Homeoffice. „Durch die Ausdehnung der Gleitzeit wollten wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Chance geben, die Kinderbetreuung sicherzustellen und trotzdem zur Arbeit kommen zu können.“ Die Ruhezeiten wurden selbstverständlich eingehalten.
„Familienfreundlichkeit fängt mit einem sicheren Arbeitsplatz an.“
Ein konstruktiver Umgang mit familiären Herausforderungen war bereits vor der Pandemie üblich, davon kann Peter Berenz aus eigener Erfahrung berichten: „Als meine Tochter in eine Förderschule für Sehbehinderte kam und ab Mittag zuhause betreut werden musste, konnte ich innerhalb von zwei Wochen klären, dass meine Stundenzahl reduziert wird“, erinnert er sich. Das sei zwar unter der gesetzlichen Antragsfrist von 3 Monaten gewesen, doch binnen kürzester Zeit wurde die Reduzierung möglich gemacht. Es war auch quasi ein Notfall: Die Zuweisung der Schule ohne Nachmittagsbetreuung für die Tochter war sehr kurzfristig erfolgt.
Der Betriebsratsvorsitzende kennt noch weitere Beispiele, bei denen eine Veränderung der Familiensituation, u. a. Pflege eines Angehörigen, vom Arbeitgeber durch die Gewährung einer Arbeitszeitreduktion unterstützt worden ist. Das gute Klima sorge auch dafür, dass Väter gern die ihnen zustehende Elternzeit nutzten.
Familiär sei die Atmosphäre nicht zuletzt dadurch, dass gelegentlich sogar die nachfolgende Generation Betriebsangehöriger im Unternehmen anfingen und bis zur Rente blieben. Xylem Analytics Germany am Standort Mainz sei eben ein Traditionsbetrieb mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad und starkem Betriebsrat und könne bezogen auf das Produkt pH-Elektrode auf eine Firmengeschichte bis in die 1930er Jahre zurückblicken. Die Verkäufe an einen Investor sowie an einen US-amerikanischen Konzern in den Jahren 2003 und 2010 habe daran auch wenig geändert, meint Peter Berenz.
Verena Maretzki