Interview mit Alexandra Friedrich, Betriebsratsvorsitzende bei der B. Braun AG in Melsungen
Wie gestaltete sich dein Weg in die Führungsposition?
Die Ausbildung zur Industriekauffrau bei B. Braun habe ich 1989 angefangen und danach im Bereich Technischer Service gearbeitet. Mein Kontakt zum Betriebsrat kam durch mein Engagement als Vertrauensperson und über die Mithilfe bei den Betriebsratswahlen. Als eine Betriebsratsassistentin gesucht wurde, fragte mich die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, ob ich diese Position übernehmen wollte.
Für mich kam die Frage an einem Punkt, an dem ich beruflich nicht mehr zufrieden war, und so habe ich den Schritt gewagt. Nun war ich bei den Betriebsratssitzungen dabei, habe mitdiskutiert, meine Meinung eingebracht, und mir wurde klar, dass ich Betriebsrätin werden wollte. Ich habe aktiv das Gespräch dazu gesucht, kandidierte 2006 das erste Mal und wurde direkt gewählt.
Zur Person
Alexandra Friedrich ist gelernte Industriekauffrau, übernahm 2012 den stellvertretenden Vorsitz und 2020 den Vorsitz des Betriebsrates bei B.Braun in Melsungen. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Bezirksvorstandes Kassel, in der Bundestarifkommission Chemie der IG BCE und Mitglied des Bundesfrauenausschusses der IG BCE. Im Krisenjahr 2020 verhandelte sie einen Standortsicherungsvertrag am B. Braun-Hauptsitz in Melsungen, der den Abbau von 1.500 Arbeitsplätzen verhinderte. Alexandra Friedrich ist verheiratet und hat drei Kinder.
Wie ließen sich deine Arbeitsbereiche miteinander vereinbaren?
Die Teilzeit-Anstellung und die Arbeit im Betriebsrat ließen sich noch gut vereinbaren. Als 2012 eine Nachfolge für die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gesucht wurde, sollte es wieder eine Frau sein. Ich wurde angesprochen und hatte auch Interesse, aber es war illusorisch, in Teilzeit tätig zu bleiben. Unsere Kinder waren damals zehn (Zwillinge) und vier Jahre alt. Die intensiven Gespräche mit meinem Mann und seine Unterstützung führten dann dazu, dass wir einen Rollentausch vornahmen. Er ist in Teilzeit gegangen, ich in Vollzeit, und als stellvertretende Vorsitzende wurde ich freigestellt. Mein Mann war ab sofort für unsere Kinder der Hauptansprechpartner, was für unsere Kinder und ihn sehr wertvoll war und ist.
Den Betriebsratsvorsitz habe ich mir quasi erarbeitet: Im Lauf der Zeit konnte ich mein Potential entwickeln und es zeigen, so dass mir der Vorsitz angetragen wurde.
Welche Strategien und Denkweisen waren auf deinem Weg hilfreich?
Wichtig finde ich, die Position, die ich habe, auch auszuleben und auszufüllen. Das heißt, Verantwortung zu übernehmen, mich Themen und auch großen Projekten zuzuwenden und dadurch sichtbar zu werden, mich zu präsentieren. Die Menschen lernen mich kennen und schätzen.
Als ich die Stellvertretung hatte, war der Austausch mit unserem Vorsitzenden ganz wesentlich. Er hat mich bei allen Themen mitgenommen und unterstützt, wir haben viel diskutiert.
Außerdem musste ich mir über bestimmte weibliche Verhaltenstendenzen klar sein: Wenn ich nicht aktiv darauf angesprochen worden wäre, den stellvertretenden Vorsitz zu übernehmen, wäre ich selbst nie auf die Idee gekommen. Das ist etwas, was ich oft als typisch für Frauen erlebe: Zeigt uns jemand einen Weg und motiviert uns, gehen wir ihn eher, als dass wir selbst von vornherein von uns überzeugt sind.
Gab es Hürden zu überwinden?
Bei meiner Arbeit lerne ich, dass ich nicht immer nur nett bin, dass ich dadurch auch mal negative Stimmen bekomme. Trotzdem darf man sich nicht aufgeben, sich nicht selbst ständig hinterfragen, kritische Bemerkungen nicht überbewerten. Zu sehr mit sich selbst in die Kritik zu gehen ist etwas, das ich als frauentypisch wahrnehme. Und das ist wieder der Punkt: Je klarer du dir bist, wie Frauen ticken, kannst du bestimmte „Fallen“ umgehen. Auch wenn es mal eine negative Anmerkung gibt – Haken dran, weiter geht es. Das ist ein Punkt, der einem immer wieder begegnet, an dem man immer wieder für sich arbeiten muss.
Auch das Loslassen meiner familiären Aufgaben musste ich üben. Es war eine große Umstellung, zuhause vieles abzugeben und meinem Mann zu überlassen. Vieles, was die Kinder anging und ich zuvor organisiert hatte, war nun sein Bereich.
Ein anderes Thema war unser Rollentausch. Der passte nicht zum Weltbild meiner Eltern, sie hatten kein Verständnis dafür. Eine Mutter muss doch bei ihren Kindern sein! Ich musste mir immer wieder klar machen, dass es den Kindern gut geht und es ihnen an nichts fehlt.
Stichwort Selbstmanagement: Wie kommst du gut durch deinen anspruchsvollen Alltag?
Das ist eine echt schwierige Frage – an meinem Selbstmanagement arbeite ich täglich (lacht). Hier habe ich sicher noch Verbesserungspotential, besonders in harten Phasen wie aktuell bei uns im Unternehmen. Ein Punkt ist sicher, Aufgaben delegieren zu können, anstatt sie selbst zu erledigen. Als ehemalige Betriebsratsassistentin weiß ich, was getan werden muss, und das ist manchmal von Nachteil.
Ein anderer Aspekt ist – hier sehe ich wieder das Naturell von Frauen mit im Spiel: Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es auch richtig gut machen, uns gegenüber der Männerwelt zeigen, dabei aber auch individuell bleiben. Gefühlt ist das manchmal ein Kampf in alle Richtungen, der gar nicht immer nötig ist. Ich denke, ein gutes Selbstmanagement ist ein Dauerthema, mit dem man nie wirklich fertig ist. Doch davon darf man sich nicht abschrecken lassen.
Wenn du an das FüPoG II denkst, was kommt dir dazu als erstes in den Sinn?
Eine Quote zu setzen finde ich richtig, damit Frauen eine Chance bekommen. Da spreche ich aus eigener Erfahrung: Wäre es nicht gewollt gewesen, dass wieder eine Frau den stellvertretenden Betriebsratsvorsitz übernimmt, hätte ich die Position nicht bekommen. So konnte ich die Chance nutzen und mich weiterentwickeln.
Gesellschaftspolitisch brauchen wir diesen Anstoß, um weiterzukommen. In ein paar Jahren kann das anders sein, aber für den ersten Schritt ist das wichtig. Es geht auch nicht darum, Männer von Positionen zu vertreiben, sondern darum, Frauen Wege zu öffnen. Die Denkweise von Männern und Frauen gemeinsam ist das, was uns voranbringt, weil sie sich sehr gut ergänzen.