Der unkonventionelle Familien-Weg von Ilona Meier und Stefan Korte
Das gemeinsame Kind kündigte sich 1996 an – und nun? Ilona Meier hätte sich wohl oder übel mit der gängigen Praxis abgefunden, in den Mutterschutz zu gehen und anschließend das Kind in der Elternzeit zu betreuen. Doch dann geschah etwas Unerwartetes: „In der Schwangerschaft kam ich eines Abends nach Hause und mein Mann sagte: Weißt du was, geh du nach der Geburt einfach wieder arbeiten, und ich kümmere mich um das Kleine.“
Der Vorschlag war für Stefan Korte zu dem Zeitpunkt äußerst naheliegend, weil pragmatisch: „Ich war noch im Studium und Ilona hatte einen gut bezahlten Job. Außerdem habe ich mich auf diese Aufgabe gefreut.“ Er hat es nie bereut, sich so entschieden zu haben. „Erst die Zeit mit unserem Kleinen, dann das berufliche Durchstarten – das war optimal.“
Damals sprach ihr Mann Ilona Meier aus der Seele: „Ich bin immer schon ein Arbeitstier gewesen, liebe meinen Beruf. Puppen und Mädchenspiele waren nie mein Ding, eine Mutterrolle im klassischen Sinn konnte ich mir damals nicht vorstellen. Ich war so froh, als dieser Vorschlag von Stefan kam.“
Und so verbrachte er die Tage mit dem Baby, als Ilona Meier nach dem Mutterschutz wieder zu arbeiten begann. Sie widmete sich ihrem Kind nach Feierabend, an den Wochenenden und im Urlaub. Auch wenn der Papa mehr Zeit mit dem Kind verbrachte, war Erziehung für beide von Anfang an eine partnerschaftliche Aufgabe.
Zu den Personen
Ilona Meier ist Vertrauensfrau und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei BASF Polyurethanes GmbH in Lemförde. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Bundesfrauenausschusses der IG BCE. Ihr Mann Stefan Korte arbeitet als Qualitätsmanager im sozialen Bereich. Vor über 20 Jahren entschieden sie sich für eine damals sehr unübliche Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit.
Stefan Korte blieb zuhause, bis der Sohn in den Kindergarten kam. „Es war eine wunderschöne Zeit! Nur manchmal fand ich es merkwürdig, als einziger Mann in den PEKiP- oder Babyschwimmkursen zu sitzen, während die Mütter vom Stillen und anderen intimen Problemen erzählten, als sei ich gar nicht da.“
Die Reaktionen des Umfeldes auf die unkonventionelle Aufteilung waren sehr gemischt, vor allem in der Elterngeneration dominierten Skepsis und Unverständnis darüber, weshalb Ilona Meier nicht zuhause beim Kind bleiben wollte. Auch die konservative Nachbarschaft ließ durchblicken, dass der Mann vielleicht einfach zu faul zum Arbeiten sei. „Letztendlich stand ich aber darüber“, erinnert sich Korte. Viel später gab es aber auch solche Eingeständnisse von Kollegen: „Mensch, diese Zeit hätte ich auch gern mit meinem Kind gehabt.“
Ilona Meiers Wunsch, nach dem Mutterschutz an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, stieß im Unternehmen zunächst auf Widerstände. Sie musste viele Gespräche führen und sich bis hoch zum Personalleiter rechtfertigen und erklären, wie sie sich das mit dem Kind so vorstelle. „Ich habe immer wieder gesagt, dass der Vater für das Kind sorgt, dass das kein Problem sei.“ Auch sah sie sich teilweise mit dem mehr oder minder stillen Vorwurf der Rabenmutter konfrontiert und teilnahmsvollen Fragen, wenn der Kleine mit einem aufgeschlagenen Knie zum Vater lief, um sich trösten zu lassen: „Macht dir das denn gar nichts aus, dass der zum Papa geht und nicht zu dir kommt?“ Für sie sei das kein Problem gewesen, sondern ein schöner Beweis für die innige Vater-Kind-Beziehung: „Schließlich war der Papa die Hauptbezugsperson.“
Es war einfach eine andere Zeit, darin sind sich beide einig. Andere Paare, bei denen ebenfalls die Frau besser verdiente, hätten sich aber nicht von ihrer Aufteilung inspirieren lassen: „Dass der Mann zuhause bleibt, das war ein absolutes No-Go, da sind sie lieber kinderlos geblieben. Manche bedauern das im Nachhinein.“ Heute dagegen beobachtet Ilona Meier: „Die Väter, die beim ersten Kind noch etwas verhalten nur einen Monat Elternzeit in Anspruch nehmen, beantragen beim zweiten Kind schon mindestens vier Monate.“
Partnerschaftlichkeit muss mehr in den Köpfen ankommen und das bei Männern und bei Frauen.
An eine Sache aus den 1990er Jahren erinnert sich Meier noch besonders gut: „Für Frauen gab es damals extra Kurse zum Wiedereinstieg in den Beruf nach der Familienphase, die ja bis zu drei Jahre dauern konnte. Aber diese Kurse gab es nur für Frauen. Daher habe ich auf einer IG BCE-Konferenz die damalige Familienministerien Renate Schmidt darauf angesprochen. Männer sollen sich mehr einbringen, dann müssten sie doch auch dieselben Unterstützungsangebote bekommen! Dieser Umstand war der Ministerin bis dato völlig unbekannt gewesen.“
Generell müsse Partnerschaftlichkeit mehr in den Köpfen ankommen, bei Männern und bei Frauen, so Ilona Meier. In der Generation ihres Sohnes beobachtet sie Rückschritte, junge Frauen orientierten sich wieder mehr an tradierten Mustern. „Es ist so vieles hart erkämpft worden, wie Mutterschutz oder Elternzeit. Das alles ist heute selbstverständlich – und was keine Anstrengung kostet, scheint nichts wert zu sein.“ Sie will junge Frauen zum Nachdenken bringen, ihnen klar machen: „Du musst zur Not auch in der Lage sein, deine Familie allein zu ernähren.“
Als gutes Modell für Paare empfiehlt sich eine Arbeitszeit von 60 Stunden pro Woche, jeweils 30 Stunden pro Person, meinen die Eheleute Meier-Korte. So bleibe genug Raum für Freizeit und die partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Hausarbeit. Stefan Korte beobachtet auch schon einen Trend dahin: „Ich erlebe Männer inzwischen als weniger karriereorientiert. Sie wollen häufig lieber 30 Stunden arbeiten, um mehr Zeit für sich zu haben.“
Doch letztendlich raten Ilona Meier und Stefan Korte aus ihrer Erfahrung heraus: „Es hilft nichts, wenn man in der eigenen Rolle unglücklich ist. Wer arbeiten gehen will, soll das tun dürfen. Und wer die Kinderbetreuung übernehmen möchte, soll das eben auch tun dürfen.“