Der Deutsche Frauenrat – Die Lobby an der Bundesspitze
Anja Weusthoff, stellvertretende Vorsitzende, über Ziele, Forderungen und Erfolge
Der Deutsche Frauenrat ist seit seiner Gründung 1951 mit inzwischen 60 Mitgliedsorganisationen zur größten Interessenvertretung für Frauen in Deutschland angewachsen. Die Vielfalt der Mitglieder bildet die gesellschaftliche Vielfalt von Frauen und organisierter Lobby- und Verbandsarbeit ab: Von A wie „Aktionsbündnis muslimischer Frauen“ bis Z wie „Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser“ stehen kulturelle, soziale, gewerkschaftliche, politische und weltanschauliche Verbände und Vereine hier im Schulterschluss.
Anja Weusthoff ist Bundesfrauensekretärin des DGB und seit 2021 stellvertretende Vorsitzende des Frauenrates. Zu ihrer Expertise gehören Umverteilung und Aufwertung von Sorgearbeit als urgewerkschaftliche Themen.
„Die Arbeit des Frauenrates ist deutlich professioneller und politischer geworden, seit vor einigen Jahren ein Organisationsentwicklungsprozess aufgesetzt wurde,“ stellt Anja Weusthoff fest, „und damit wurde sie auch erfolgreicher.“ Die Wirkung des Engagements werde sicht- und messbar, zum Beispiel durch die Platzierung von gleichstellungspolitischen Forderungen in Wahlprogrammen unterschiedlicher Parteien, die Blaupausen für Koalitionsverträge seien. Darunter findet sich auch die Vaterschaftsfreistellung für zehn Tage rund um die Geburt bei Entgeltfortzahlung. Studien zeigen: Je früher Väter einbezogen werden, desto besser ist dies für die Bindung zwischen Vater und Kind, und langfristig wird damit eine paritätischere Aufteilung der Familien- und Sorgearbeit selbstverständlicher, sodass Frauen mehr kontinuierliche Erwerbstätigkeit mit höherer Stundenzahl aufnehmen können.
Richtung und Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit legt die Mitgliedsversammlung in ihren Beschlüssen fest. Basierend auf diesen Beschlüssen agiert der Vorstand und entwickelt die Positionen je nach aktuellem Bedarf weiter. Politische Einflussnahme ist auch ein zentraler Aspekt der Arbeit der Fachausschüsse, dazu gehören Gespräche mit Parteien, Fraktionen und Minister*innen. Bei allem Erfolg betont Anja Weusthoff: „Wir arbeiten alle ehrenamtlich, zusätzlich zu unseren anderen beruflichen Tätigkeiten, das darf man nicht vergessen. Dass die Arbeit so gut läuft, liegt auch an den hoch kompetenten Mitarbeiterinnen in unserer Geschäftsstelle, an deren Spitze die äußerst engagierte Geschäftsführerin Dr. Anja Nordmann steht.“
„Lobbyarbeit kann man daran messen, welche Forderungen die politischen Parteien aufnehmen und umsetzen.“
Angesichts der Bundestagswahl galt es in diesem Jahr vor allem, die Themen in der Agenda der politischen Parteien zu platzieren und auf die Aufnahme bestimmter Punkte in den Koalitionsvertrag hinzuwirken. Mittelfristiges Ziel sei, sich noch besser als Lobby für Frauen aufzustellen.
Was der Deutsche Frauenrat an der Bundesspitze bewirkt, verfolgen die Landesfrauenräte als eigenständige Organisationen auf der nächstunteren Ebene.
Die Arbeit des Frauenrates sei schon etwas ganz Besonders, meint Weusthoff. Sie als Politikwissenschaftlerin fasziniert „dieses Stück gelebte Demokratie in der Zivilgesellschaft. Mit ganz unterschiedlichen weltanschaulichen und politischen Hintergründen formulieren wir gemeinsame Forderungen und treiben diese in Gesellschaft und Politik voran.“