FRAUEN IN FÜHRUNG

Gertraud Meyer

Offene Tür = offenes Ohr für die Anliegen der Belegschaft

Mit Betriebsrätin Gertraud Meyer (Plastic Omnium Automotive Exterious GmbH) im Gespräch über Engagement und Solidarität

Gertraud Meyer

Betriebsrätin, Plastic Omnium Automotive Exterious GmbH

Foto: Blitzfang Medien

Als gelernte Industriekauffrau war Gertraud Meyer bereits lange vor der Betriebsratszeit im Unternehmen tätig. Mit ihrer Wahl zur Betriebsrätin und vor sechs Jahren zur Betriebsratsvorsitzenden setzt sie sich nun für ihre Kolleginnen und Kollegen ein. Seit dem ordentlichen Gewerkschaftskongress ist Gertraud Mitglied im ehrenamtlichen Hauptvorstand.

Wie gestaltete sich dein Weg in der IGBCE?

Bevor ich Betriebsrätin wurde, war ich eher passives Mitglied. Nach meiner zweijährigen Betriebsratszugehörigkeit ging der damalige Vorsitzende in den Ruhestand, und der vorgesehene Nachfolger zog sich zurück. Da wurde ich plötzlich freigestellte Betriebsratsvorsitzende! Dadurch bin ich erst richtig in Kontakt mit der IGBCE gekommen, habe mich hier engagiert, wurde Bezirksvorstand, war im Frauenforum aktiv und bekam die Gelegenheit, am Frauenkolleg teilzunehmen. Seitdem weiß ich, was die IGBCE für eine super Gewerkschaft ist!

Was ist dir beim Thema Gleichstellung besonders wichtig?

Gute Arbeitsplätze für alle und gerne für Frauen. Wir hatten im Betrieb mehr als zehn 450-Euro-Kräfte, alles nur Frauen, die nun einen ordentlichen Arbeitsvertrag haben. Viele Gespräche waren nötig, sowohl mit dem Arbeitgeber als auch mit den Frauen: Zu erklären, dass sie nach dem Mutterschutz nicht mit einem 450-Euro-Vertrag für elf Euro die Stunde einsteigen sollen. Wenn sie vorher einen tarifbezahlten Job hatten, muss das auch hinterher möglich sein, auch mit weniger Stunden.

Welche Hürden musstest du meistern?

In den letzten Jahren mussten wir mit Abteilungsverlagerungen und Abteilungsschließungen umgehen. Wir haben mehrere Freiwilligenprogramme, Sozialpläne und Interessenausgleiche verhandelt. Für einen Zuliefer-Betrieb in der Automobilbranche ist es eine schwierige Zeit, geprägt von Transformation und Kurzarbeit. Vieles ist im Umbruch.

Was motiviert dich, dich so aktiv in das gewerkschaftliche Leben einzubringen?

Der Auslöser war die Teilnahme an meiner ersten Gewerkschaftsveranstaltung: Egal, ob Mann oder Frau, alt oder jung, egal welche Religion oder sexuelle Ausrichtung, wir waren alle gleich. Diese selbstverständliche Solidarität hat mich von Anfang an fasziniert. Und wieviel man gewerkschaftlich bewegen kann, war mir vorher gar nicht klar!

„Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn wir nicht miteinander solidarisch sind, werden wir alle irgendwann darunter leiden.“

Welche Themen stehen aktuell an?

Wir wollen die IGBCE und die gute Arbeit bei uns im Bezirk sichtbarer machen. Das ist vielleicht auch ein Frauenthema: Wir machen den Job und reden nicht darüber. Vor lauter Machen finden wir keine Zeit mehr für das Marketing (lacht). Das schaffen wir hoffentlich bald besser mit gemeinschaftlicher Frauenpower; ab dem 1. November übernimmt Sabrina Emrich die Bezirksleitung in Nürnberg.

Was treibst du im Unternehmen besonders voran, auch zum Thema Gleichstellung?

Wichtig ist, dass die Menschen die Arbeitszeit an ihre Lebensverhältnisse anpassen können. Das betrifft nicht nur, aber besonders Frauen. Wir haben erreicht, dass eine Kollegin im Drei-Schicht-Betrieb in Teilzeit gehen konnte. Das habe ich mit aller Kraft unterstützt, das war ein Meilenstein. Im Schichtbetrieb müssen generell neue Lösungen her, gerade die jungen Leute möchten so nicht mehr arbeiten. Zukunftsorientierung heißt, Alternativen zu entwickeln. Umweltthemen greifen wir auch auf; in der Kantine gibt es zum Beispiel keine Plastikbehälter für Salat mehr. Für solche Aspekte bemerke ich bei Frauen tendenziell mehr Interesse.

Welche Erfahrungen bringst du aus dem Frauenkolleg ein?

Das Frauenkolleg war eine Offenbarung für mich. Wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Da habe ich so viel gelernt! Es war eine unglaubliche Stärkung für die Arbeit in einem männerdominierten Bereich. Persönlichkeitsentwicklung, Haltung, die Sicht auf die Dinge dazu kann ich jeder Frau, die eine solche Position anstrebt, nur raten. Die vielen Bildungsmöglichkeiten schätze ich an der Gewerkschaft ganz besonders.

Wie hältst du die Balance zwischen Arbeit und Leben?

Mit meiner Arbeit als Betriebsratsvorsitzende hat sich mein Leben komplett verändert. Durch das Engagement im Betrieb und in der IGBCE haben sich meine Interessen auf einen neuen Schwerpunkt verlagert, manches ist weggefallen, manches neu dazugekommen. Auf die Balance muss man achten, bei mir klappt es ganz gut. Mein Mann hält mir den Rücken frei und ich achte sehr bewusst darauf, mir Freiräume zu erhalten. Mein Respekt gilt den Frauen, die noch Kinder, Haus und Haushalt zusätzlich haben.